Neuerscheinung
Scharfsinnige Beobachtungsgabe und Witz im Lessingschen Sinne attestiert Walter Jens dem Komponisten und Menschen Paul Hindemith. Hindemiths vielbesagter Humor schlägt sich nicht nur in seinen Schriften, Briefen, Zeichnungen oder ironischen Bemerkungen zu eigenen künstlerischen Aktivitäten nieder, sondern auch in der ein oder anderen seiner Kompositionen. Einige dieser mit Humor gewürzten Kompositionen stellt Maria Goeth in ihrem Beitrag vor und stößt dabei auf humoristische Unangemessenheiten und ausgetüftelten Witz.
Sein ganzes Leben lang beschäftigte sich Paul Hindemith mit der Musik Max Regers, sei es als junger Geiger oder Bratscher in den 1920-er Jahren oder als gestandener Orchesterleiter nach dem Zweiten Weltkrieg. Hindemith charakterisierte Reger in seiner Hamburger Bach-Rede 1950 als einen Musiker, der unbekümmert ums wissenschaftliche Erkennen und geradezu rabiat im impulsiven Erschaffen [...], rabiat bis zur Leichtfertigkeit gewesen sei. Welch immense Bedeutung die Musik Regers für das Schaffen des jungen Komponisten Hindemith hatte, zeigt der Geiger und Pianist Kolja Lessing in seinen Untersuchungen zu den Solo-Violinkompositionen Hindemiths.
Michael Heinemann nimmt sich der Werke Hindemiths für Orgel solo an und weist auf die unterschiedlichen Konzeptionen der Kompositionen hin. Von den beiden frühen solitären Stücken bis zu den drei Orgelsonaten aus den Jahren 1937 bzw. 1940 war ein weiter Weg. Zeugen die beiden im August 1918 entstandenen Stücke von Einflüssen Max Regers, durchsetzt mit freitonalen Passagen, zeigt sich Hindemith in den Sonaten als verantwortungsvoller Erbe historischer Form- und Gattungstraditionen, die es gilt, kreativ zu assimilieren.
Hindemiths Sonate für Harfe (1939) – eines der Instrumente, das Hindemith nicht selbst spielte – ist in einer höchst produktiven Zeit entstanden, als er seine Zelte in Nazi-Deutschland abgeschlagen hatte und mit seiner Frau Gertrud im Walliser Bergdorf Bluche ein neues Domizil fand. Die dort ersehnte und gefundene Ruhe und Abgeschiedenheit nutzte er ausgiebig zum Komponieren. Die Entstehung des Stücks und die in Briefen belegte Zusammenarbeit mit der Widmungsträgerin, der Harfenistin Clelia Gatti Aldrovandi, beleuchtet Elisabeth Plank in ihrem Artikel.
Luitgard Schader, Editionsleiterin der Hindemith-Gesamtausgabe, gibt Erläuterungen zu den unterschiedlichen Publikationsformen von Hindemiths musikalischem und schriftstellerischem Werk und stellt darüber hinaus Hindemiths jeweiliges Mitwirken bei diversen Editionsprojekten vor.
Briefe von Hindemith an seine Jugendfreundin, die Pianistin Irene Hendorf, geschrieben in den Jahren 1914 bis 1920, präsentiert Susanne Schaal-Gotthardt. In diesen Dokumenten offenbaren sich Hindemiths unbändige Lust am Musizieren und seine aufkeimenden kompositorischen Ambitionen, immer Neues ans Licht [zu] bringen.
Heinz-Jürgen Winkler