Neueinspielung
Paul Hindemith: Trios No. 1, Op. 34 (1924) & No. 2 (1933) /
Arnold Schoenberg: String Trio, Op. 45
Trio Zimmermann: Frank Peter Zimmermann, violin / Antoine Tamestit, viola / Christian Poltéra, cello
►BIS-2207 SACD (2017)
Zu den Werken: Dem Trio op. 34, 1924 zu großen Teilen während Zugfahrten geschrieben, sind anarchistische Turbulenzen eigen, die das zeitgenössische Bild des Komponisten als „bad boy“ oder „Bürgerschreck“ mitprägten. Unüberhörbar ist die souveräne Leichtigkeit, die Hindemiths Kompositionsstil in den frühen 1920er Jahren kennzeichnet. Ohne Rücksicht auf harmonische Ordnung werden die Stimmen in freiem Kontrapunkt übereinander geschichtet. In wildem Dahinrasen wird der musikalische Vollzug zum eigentlichen Zweck der Komposition. Anders das 2. Trio, dem das Rauhbauzige und das Draufgängerische abhanden gekommen sind. Stattdessen spürt man Hindemiths Willen, das Unkontrollierte seiner frühen wilden Jahre zu zähmen. Offensichtlich löste dieses Trio, 1933 entstanden, sein Vorgängerwerk ab, das Hindemith mit seinen Triopartnern Josef Wolfsthal (Violine) und Emanuel Feuermann (Cello) 1930 zum letzten Mal öffentlich präsentiert hatte. Das neue Werk unterscheidet sich vom aggressiven Opus 34 vor allem in subtilen Differenzierungen auf harmonischer, rhythmischer und formaler Ebene. Insbesondere bemüht sich Hindemith, die Übergänge zwischen einzelnen Satzteilen fließend und nuancenreich zu gestalten; Burschikosem wird der Laufpass gegeben.
Zur Interpretation: Bei der „Toccata“, die das Opus 34 eröffnet, handelt es sich um einen unaufhaltsam dahinstürzenden Prestosatz, bei dem die drei Solisten ausreichend Gelegenheit haben, ihre Virtuosität zu demonstrieren. Wie zu erwarten, entledigen sich die Interpreten dieser Aufgabe mit atemberaubender Brillanz. Doch weitere, bisher kaum geahnte Sichtweisen auf diese Stücke offenbart das Trio Zimmermann. Insbesondere besticht die Akribie, mit der die linearen Züge jeder Stimme plastisch modelliert werden und selbst bei dichtestem polyphonen Geschehen transparent bleiben. Dieser Interpretationsansatz legt die subkutanen thematischen Verästelungen offen und macht das Zuhören zu einer wahren Entdeckungsreise. Auch faszinierend, mit welcher Intensität die Musiker die langsamen Sätze vermitteln: Auf unpathetische Weise zeichnen sie Stimmungsbilder, die den Eindruck einer unsentimentalen, dennoch bewegenden Musik vermitteln. Eine interpretatorische Meisterleistung und ein Muss für jeden Kammermusik-Liebhaber!
HJW