AKTUELLES 2018
Neuerscheinung: Hindemith-Jahrbuch / Annales Hindemith 2018/XLVII
Die Autoren des diesjährigen Jahrbuchs folgen Spuren Hindemiths, die er als Interpret eigener und fremder Werke in verschiedenen Ländern Europas und Amerikas hinterlassen hat. Anhand von bisher kaum rezipierten Materialien erhellen die Autoren seine jeweiligen Aktivitäten und deren Wirkung.
Die Rolle Hindemiths im Musikleben Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg als Projektionsfigur der westdeutschen Nachkriegsmusikgeschichte untersucht Matthias Pasdzierny. Er konstatiert, dass der Emigrant Hindemith von vielen Zeitgenossen als der »Dagebliebenste« der emigrierten Musiker gewertet wurde.
Hindemiths facettenreiche Rezeption in Frankreich beleuchtet Damien Ehrhardt. Insbesondere zwischen den beiden Weltkriegen gehörte Hindemith in Frankreich zur internationalen Avantgarde, wogegen er nach dem 2. Weltkrieg im Zuge des Aufkommens serieller Kompositionsideen in den Hintergrund trat – vergleichbar seiner Situation in der Bundesrepublik Deutschland.
Michael Freyhan präsentiert Hindemiths eigene Eindrücke während dessen Konzertreisen auf der britischen Insel sowie Erinnerungen von zeitgenössischen Musikern an Hindemiths Auftritte. Zeitungsrezensionen von Hindemith-Konzerten in England ergänzen diese Dokumentation.
Den Auftakt zu Hindemiths Südamerika-Tournee im Sommer und Herbst 1954 bildete eine Reihe von Konzerten in Buenos Aires, die ähnlich starkes Aufsehen erregten wie Gastspiele von Richard Strauss oder Igor Strawinsky. Wie sich diese Auftritte in der argentinischen Presse widerspiegeln, beleuchtet die Musikwissenschaftlerin Silvia Glocer.
Der Komponist und Musikwissenschaftler Roman Vlad, künstlerischer Leiter des Maggio Musicale Fiorentino, wählte für 1964 als thematischen Schwerpunkt den Expressionismus. Bei diesen Planungen, in die auch die Schwesterkünste einbezogen wurden, berücksichtigte er u. a. das expressionistische Frühwerk Hindemiths. Angela Carone sichtete bisher unbekannte Dokumente aus dem Nachlass von Roman Vlad, die als Sammlung in der Fondazione Giorgio Cini di Venezia aufbewahrt werden und Aufschluss über ursprüngliche Pläne, Hindemiths Mitwirkung und die letztendliche Programmgestaltung dieses Festivals geben. (HJW)
Gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK) veranstaltet das Hindemith Institut Frankfurt jedes Jahr im November Hindemith Tage zu Ehren des Komponisten. Als weitere Kooperationspartner konnten für 2018 die Frankfurter Museums-Gesellschaft e.V. und der Verlag Schott Music in Mainz gewonnen werden.
Die Hindemith Tage beginnen am 1. November mit einem Festkonzert im Rahmen der Kammermusikreihe der Frankfurter Museums-Gesellschaft im Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt. Aus Anlass des 50jährigen Bestehens der Hindemith Stiftung spielt das junge, bereits außerordentlich erfolgreiche Schumann Quartett u.a. das 6th String Quartet in E flat (1943) von Paul Hindemith. Am 15. November präsentieren Lehrkräfte und Studierende der HfMDK im Verlag Schott Music in Mainz die vier Sonaten für Geige und Klavier von Paul Hindemith. Ein weiterer Programm-Höhepunkt der Hindemith Tage sind Aufführungen von Hindemiths letzter Oper, dem 1961 entstandenen Einakter „Das lange Weihnachtsmahl / The long Christmas Dinner“, inszeniert und einstudiert von Lehrkräften und Studierenden der HfMDK (16. und 17. November). Im Hindemith Kabinett im Kuhhirtenturm geben die Cellistin Susanne Müller-Hornbach und die Pianistin Jee-Young Phillips am 16. November ein Matinee-Konzert. Mit dem Konzert des Hindemith–Quartetts am 18. November im Kuhhirtenturm enden die diesjährigen Hindemith Tage, für die Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, die Schirmherrschaft übernommen hat.
Neue CD: Das Marienleben op. 27 (1923)
Gedichte von Rainer Maria Rilke
Juliane Banse (Sopran)
Martin Helmchen (Klavier)
Alpha DDD (2017)
FonoForum, September 2018:
"Eine exemplarische Aufnahme; ein Präzedenzfall."
Benefizkonzert am 8.11.18, 20 Uhr
mit Max Pufendorf (Rezitation)
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin
Konzertankündigung
Eine neue Publikation zu den Donaueschinger Musikfesten 1921 bis 1926
Michael Wackerbauer
Die Donaueschinger Musikfeste 1921 bis 1926
Regesten zu den Briefen und Dokumenten im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv mit einer historischen Einführung (Regensburger Studien zur Musikgeschichte Bd. 12)
Regensburg: ConBrio, 2017, 576 S.
ISBN 978-3-940768-73-5
Im Sommer 1921 wurden im Schwarzwälder Residenzstädtchen Donaueschingen erstmals die „Kammermusik-Aufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst“ durchgeführt. Finanziert und organisiert von dem damals in Donaueschingen ansässigen Haus Fürstenberg, sollten die Konzerte, wie es in einem Aufruf vom April 1921 hieß, „ausschließlich dem Schaffen noch unbekannter oder umstrittener musikalischer Talente gewidmet sein“. Das Musikfest von 1921 legte den Grundstein für eine jährliche Veranstaltungsreihe, die bis 1926 in Donaueschingen, später in Baden-Baden und Berlin angesiedelt war. Nach einem von Nazi-Ideologien überschatteten Intermezzo in den 1930er Jahren werden die Musikfeste seit 1946 wieder in Donaueschingen veranstaltet und gelten bis heute als eine maßgebliche Plattform zur Präsentation zeitgenössischer Musik.
Paul Hindemith zählte in den ersten zehn Jahren zu den prägenden Gestalten dieser Musikfeste. 1921 zunächst als eines jener „noch unbekannten oder umstrittenen musikalischen Talente“ eingeladen, gehörte er ab 1923 zu den Verantwortlichen im Programmausschuss, beteiligte sich an der Werkauswahl und entwickelte konzeptionelle Ideen zur Weiterentwicklung der Feste von einer „Talentschmiede“ zu einer Bühne für kompositorische Experimente. Und nicht zuletzt war er von Beginn an auch als Interpret aktiv an der Durchführung der Feste beteiligt.
Die im Fürstlich-Fürstenbergischen Archiv aufbewahrten Quellenbestände zu den Donaueschinger Festen der Jahre 1921 bis 1926 enthalten knapp 4400 Dokumente. Sie wurden seit 2007 im Rahmen des Forschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Bruchlinien und Kontinuitäten. Die Donaueschinger Musikfeste 1921–1950“ am Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg systematisch erschlossen. Der jetzt publizierte Regestenband enthält neben einer ausführlichen historischen Einleitung zur Genese der Musikfeste sowie einer Übersicht über die Konzertprogramme von 1921 bis 1926 die chronologisch angeordneten Inhaltsangaben zu den erhaltenen Briefen dieser Jahre, außerdem ein Namen-, Werk- und Institutionen-Register. Eine Auswahl von Abbildungen (etwa ein Bewerbungsschreiben des kompositorisch ambitionierten Abiturienten Theodor W. Adorno von 1921) rundet den Band ab.
Die Publikation ermöglicht einen tiefen Einblick in die organisatorischen Abläufe, aber auch in die wegweisenden künstlerischen Entscheidungen, die im Vorfeld der Feste vollzogen wurden. So lässt sich etwa verfolgen, wie Hans Pfitzner 1921 zur Bedingung seiner Mitgliedschaft im „Ehrenausschuss“ machte, dass von ihm vorgeschlagene Komponisten ohne weitere Prüfung ins Programm aufgenommen würden (diesem Wunsch wurde nicht stattgegeben, weshalb Pfitzner auch nicht in den Ehrenausschuss aufgenommen wurde). Die Briefe reichen von Bewerbungen, Empfehlungen oder Beschwerden über die interne Korrespondenz zwischen den Verantwortlichen bis hin zu Gästeanmeldungen und Bitten um Reservierung von Hotelzimmern. Anhand der Regesten werden etliche Musikerschicksale nacherzählt: von Musikern, die sich um die Mitwirkung bei den Festen bewarben, von damals wie heute unbekannten Komponisten, deren Werke vor dem kritischen Blick des Programmausschusses keinen Bestand hatten, oder von solchen, die durch ihre Teilnahme in Donaueschingen einen Karriereschub erlebten, wie etwa Ernst Krenek, Ernst Toch oder Philipp Jarnach. Die Regesten sind übersichtlich und leserfreundlich zweispaltig angelegt und lesen sich ungemein flüssig. Fazit: eine unverzichtbare Fundgrube für jeden, der sich für diese bislang nur schwer zugänglichen Quellen interessiert.
Susanne Schaal-Gotthardt
Neue CD: Hindemiths Sonaten für Bratsche solo
Paul Hindemith
Complete Sonatas for Viola Solo
Ruth Killius, Viola
NoMadMusic 2018 (NMM049)
Die vier Sonaten für Bratsche allein, entstanden zwischen 1919 und 1937, spiegeln die weite Spanne der kompositorischen Entwicklung ihres Schöpfers wider – vom aufbrausenden Talent, das sich gleichwohl mit deutlichem Bezug auf die Vorbilder Bach und Reger absichert, über den selbstbewussten Avantgardisten der 1920er Jahre, der frech verkündet, „Tonschönheit“ sei „Nebensache“, bis hin zum Komponisten der 1930er Jahre, der sich im Streben nach satztechnischer Klarheit und gefestigter formaler Struktur jene kompositorische Selbstsicherheit zu erhalten sucht, die ihm die Nationalsozialisten mit ihrem Vorwurf, er komponiere „entartete“ Musik, rauben wollten. Alle vier Sonaten verbindet die zweifache Motivation zu ihrer Entstehung: Sie wurden komponiert von einem erfahrenen Instrumentalisten, der sie explizit für das eigene Musikmachen schrieb und sie auf dem Konzertpodium zugleich als Ausweis seiner kompositorischen Fähigkeiten präsentierte.
Dieser zweifachen Motivation ist Ruth Killius’ Zugang zu den vier Sonaten verpflichtet: Sie spürt das Improvisatorische und die Spontaneität in ihnen auf und setzt diese mit viel Liebe zum Detail klanglich um. Sie gestattet sich metrische Freiheiten und scheut bei Bedarf auch nicht vor schroffer Klanggebung und scharfer Akzentuierung zurück. Impulsiv und energisch greift sie auf den Kopfsatz der Sonate von 1937 zu; stringent gestaltet sie den Variationensatz am Schluss der Sonate op. 31 Nr. 4 (1924). In manch einem langsamen Satz, wie etwa in dem der Sonate op. 25 Nr. 1 (1922) bleibt die Zeit förmlich stehen; im hier anschließenden Satz „Rasendes Zeitmaß, wild. Tonschönheit ist Nebensache“ scheint sie dann gänzlich entfesselt. Versonnene Momente des Innehaltens erzeugt Ruth Killius auch in der monumentalen Schluss-Passacaglia der Sonate op. 11 Nr. 5 (1919).
Mit ihrer Gesamteinspielung dieser ungemein anspruchsvollen und facettenreichen Sololiteratur reiht sich Ruth Killius in die Phalanx illustrer Interpreten von Kim Kashkashian über Lawrence Power bis hin zu Tabea Zimmermann ein.
Susanne Schaal-Gotthardt
50 Jahre Fondation Hindemith - 40 Jahre Centre de Musique Hindemith
Ein doppeltes Jubiläum konnte am 20. April 2018 in Blonay gefeiert werden. Vor 50 Jahren nahm die Fondation Hindemith, Blonay, ihre Arbeit als Rechtsnachfolgerin des kinderlos gestorbenen Ehepaares Paul und Gertrud Hindemith auf, und zehn Jahre später gründete sie in Blonay das Centre de Musique Hindemith.
Aufführung von Teilen des Oratoriums „Das Unaufhörliche“ (1931), Musik von Paul Hindemith, Text von Gottfried Benn, am 5. Mai 2018 um 19:30 Uhr im Großen Saal der HfMDK
Pressemitteilung und Einladung zum Konzert
Das Hindemith Institut Frankfurt und die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK), in Zusammenarbeit mit der Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V., präsentieren am Samstag, den 5. Mai 2018 um 19.30 Uhr im Großen Saal der HfMDK (Eschersheimer Landstraße 29, 60322 Frankfurt) Teile des Oratoriums „Das Unaufhörliche“.
Hindemith-Preis 2018 für Clara Iannotta
Der Hindemith-Preis 2018 des Schleswig-Holstein Musik Festivals geht nach einem einstimmigen Votum der Jury an die 1983 in Rom geborene italienische Komponistin Clara Iannotta. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung soll am 23. Juli 2018 in Rendsburg überreicht werden.
https://www.shmf.de/de/hindemith-preis-an-clara-iannotta
Christian Höppner neues Mitglied im Stiftungsrat der Fondation Hindemith
Der Stiftungsrat der Fondation Hindemith hat Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, in den Stiftungsrat berufen. Zu Prof. Höppners Berufung äußert sich Prof. Dr. Andreas Eckhardt, Präsident des Stiftungsrates der Fondation Hindemith: „Die Mitglieder des Stiftungsrates freuen sich, mit Prof. Christian Höppner einen der profiliertesten Kenner des deutschen Musiklebens für eine Mitarbeit in der Hindemith-Stiftung gewonnen zu haben. Er verfügt nicht nur über eine bedeutende kulturpolitische Kompetenz, sondern auch über einen engen Bezug zur Musizier- und Unterrichtspraxis als Hochschullehrer an der Universität der Künste. An der Vorgängerhochschule hatte Paul Hindemith von 1927 bis 1937 eine Professur für Komposition inne."
Weitere Informationen zu Prof. Christian Höppner