Hindemith-Preis 2016 für die Komponistin Anna Clyne

Seit 1990 wird der Hindemith-Preis im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) verliehen. Der Preis wird von der Fondation Hindemith (Blonay, Schweiz), den Stiftungen Rudolf und Erika Koch-Stiftung, Walter und Käthe Busche-Stiftung, Gerhard Trede-Stiftung und Franz-Wirth-Gedächtnis-Stiftung sowie von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein gestiftet.
Anna Clyne erhält in diesem Jahr den mit 20.000 Euro dotierten Hindemith-Preis. Das Votum der Jury unter Vorsitz des SHMF-Intendanten Dr. Christian Kuhnt fiel einstimmig auf die in New York lebende Komponistin mit Londoner Wurzeln. Die Pressemeldung des SHMF zum Hindemith-Preis 2016 finden Sie hier.
Mit dem Hindemith-Preis sollen herausragende zeitgenössische Komponisten gefördert werden. Zugleich erinnert die Auszeichnung an das musikpädagogische Wirken Paul Hindemiths, der 1932 in Plön die Komposition „Plöner Musiktag“ schrieb.
Paul Hindemith 1932 im Schleswig-Holsteinischen Plön
Auszug aus dem Vortrag von Paul Hindemith "Mahnung an die Jugend, sich der Musik zu befleißigen", in dem er über die Entstehung des Plöner Musiktags berichtet:
"Der Titel besagt, daß es sich um das kleine Städtchen Plön in Holstein handelt und daß dort ein ganzer Tag ausschließlich der Musik gewidmet war. In Plön befindet sich eine große staatliche Schule, in der Knaben und Mädchen wohnen, die neben ihren wissenschaftlichen Lehrfächern dank der fast fanatischen Aktivität ihres Musiklehrers alle Musikunterricht genossen. [...]
Vor ein paar Jahren hatte ich ein Konzert in Kiel, der nächsten größeren Stadt bei Plön. Eine Anzahl der Plöner Kinder war in einem Lastauto herübergekommen und gaben ihrer Freude durch demonstrativen Beifall Ausdruck. Nachher kamen sie zu mir und baten mich, am nächsten Tag zu ihnen nach Plön hinüberzukommen, wo sie mir etwas von ihrer musikalischen Tätigkeit zeigen wollten. Ich fuhr hin und erlebte beim Musizieren der Buben und Mädchen einen Vormittag reinsten Vergnügens. Sie führten neben anderer Musik ein kleines Stück von mir auf, das ich früher für eine Schar spielender Kinder in Berlin geschrieben hatte: Wir bauen eine Stadt. Die Musik dieses Stückes ist kurz und einfach, das Ganze ist mehr ein Rahmen für die schöpferische Tätigkeit der Kinder als eine regelrechte Komposition. Hier war nun aus dem etwa 10 Minuten langen Stück eine einstündige Aufführung geworden, bei der die ganze Schule mitwirkte, sei es als Musiker, Sänger oder Schauspieler, sei es als Bediener der umfangreichen Aufbauten und elektrischen und anderen technischen Anlagen, die von den Kindern in monatelanger Arbeit vorbereitet worden waren. Wir freundeten uns so an, daß ich ihnen versprach, bei nächster Gelegenheit einmal ein paar Tage bei ihnen zu wohnen und mit ihnen zu musizieren.
In den Besprechungen mit den Kindern, dem Direktor und dem Musiklehrer der Schule ergab sich, daß bei dieser Gelegenheit in ausgiebigstem Maße Musik gemacht werden solle und schließlich einigten wir uns auf die Form: Es sollte ein kleines Musikfest werden, an dem sich alles beteiligen sollte, um Musik auszuführen, die ich eigens zu diesem Zwecke schreiben würde. Zuhörer sollten zwar nicht ausgeschlossen sein, sie sollten sich aber nur auf die nächsten Angehörigen der Schule beschränken, im übrigen wollten wir ausschließlich zu unserem eigenen Ergötzen musizieren. In der folgenden Zeit arbeitete ich einen ungefähren Plan für das Fest aus, fand den alten Kantatentext und komponierte einige Stücke, die mittlerweile schon geübt werden konnten und das Rückgrat des gesamten Tagesprogrammes bilden sollten. Im übrigen blieb sowohl die Herstellung wie das Studium der Musik ganz auf die drei Tage beschränkt, die uns der Direktor für die Einübung und Abhaltung des Treffens freigegeben hatte. Ich wollte mich ja ganz den technischen Fertigkeiten der Kinder anpassen und das kann man nur, wenn man bei ihnen ist, ihnen auf Mund und Finger sieht und zu erforschen sucht, was sie zu spielen wünschen.
An drei schönen Maitagen [tatsächlich wurde der Plöner Musiktag am 20. Juni 1932 aufgeführt] fand das Fest statt. Ich war mit einigen Schülern als Helfer von Berlin herübergekommen und nach einem lauten und eindrucksvollen Empfang stürzten wir uns alle in die Arbeit. Aus allen Ecken des Schulgebäudes tönte Musik. Das Orchester probte im Garten, der Chor sang auf der Wiese, andere übten im Wald. Ich mußte fortwährend Musik liefern, an der schon gelieferten ändern, wegnehmen und zufügen. Einige ganz unmusikalische Kinder waren eigentlich von der Teilnahme ausgeschlossen worden, aber ihre Verzweiflung über die Tatsache war so ehrlich, daß wir sie doch noch im Schlagzeug unterbrachten, wo sie nach gründlichem Proben und unter Mithilfe der anderen Spieler denn auch ihren Mann stellten. Einer konnte nur das Xylophon spielen, also mußte ihm eine Stimme angefertigt werden. Die Klasse der jüngsten Schüler war tief betrübt: Sie konnten noch nicht recht Noten lesen und waren demnach unverwendbar. Das einzige Instrument, das sie notdürftig spielen konnten, war die kleine Schulblockflöte in C. Es blieb also nichts anders übrig, als sie damit zu beschäftigen und so schrieb ich ihnen im Eröffnungsmarsch der Kantate ein Trio, in welchem die ganze Klasse als Blockflötenchor unter Begleitung des übrigen Orchesters auftreten konnte. Ein kleiner Junge unter ihnen, der schon musikalische Kenntnisse hatte, wurde mit seiner Truppe in einen noch unbesetzten Teil des Geländes geschickt um das Stück einzuüben und nach einer Stunde kam die ganze Gesellschaft wieder und spielte ihre Partie auswendig. Auf diese Weise verbrachten wir übend zwei Tage, am dritten fand das Fest statt."