Neuerscheinung: Musik zu dem Film "In Sturm und Eis" (1921)
Dass sich Hindemith schon in jungen Jahren für das Medium Film nicht nur interessierte und begeisterte, sondern auch kreativ damit umging, ist gut belegt. Mit einer gewissen Süffisanz und nicht ohne einen Anflug von Neid vermerkte er 1919, dass sein Bruder Rudolf während eines längeren Aufenthaltes in Berlin bei Földesy Cello, im übrigen aber „Kino“logie studiere. Rückblickend erinnerte sich Hindemith – freilich ohne weiter ins Detail zu gehen – „meiner Filmzeit“, ich meine damals, als ich in der Hochblüte der Filmerei 1921 und später oft in Tempelhof herumwimmelte. In seiner 1922 in der Neuen Musik-Zeitung publizierten Selbstbeschreibung anlässlich des zweiten Donaueschinger Musikfestes zählte er Kinomusik kursorisch zu den musikalischen Gebieten, die er bereits ausgiebig „beackert“ habe: Kammermusik aller Art, Kino, Kaffeehaus, Tanzmusik, Operette, Jazz-Band, Militärmusik. Die flapsige Formulierung, mit der Gattungen der „ernsthaften“ Musik in einem Atemzug mit Genres der Trivialmusik genannt werden, ist charakteristisch für den jungen Komponisten, der zwei Jahre zuvor beim Mainzer Schott-Verlag – nach gerade gut sechs Monaten vertraglich geregelter Zusammenarbeit – angefragt hatte: Können Sie auch Fox trots, Bostons, Rags und anderen Kitsch brauchen? Wenn mir keine anständige Musik mehr einfällt, schreibe ich immer solche Sachen. Die gelingen mir sehr gut und ich denke mir, Sie könnten mit einem solchen Stück mehr Geschäfte machen als mit meiner besten Kammermusik. (Guter Kitsch ist ja auch furchtbar selten). Dass er diesem Kitsch gleichwohl eine andere Wichtigkeit beimaß als seiner anständigen Musik, verdeutlicht der Umstand, dass er solche Kompositionen in seinem eigenhändigen Werkverzeichnis, das er 1913 in chronologischer Folge zu führen begann, am Ende der Kladde unter der Rubrik Gelegenheitswerke und Allerlei gesondert verzeichnete. Unter dieser Rubrik findet sich auch der Eintrag Musik zu dem Film „In Sturm und Eis“ | (Im Auftrag der Berg- & Sport-Film G.m.b.H Freiburg i/Br.)
(Aus der Einleitung von Susanne Schaal-Gotthardt)