Hindemith-Jahrbuch 2014/XLIII
Das neue Hindemith-Jahrbuch blickt zunächst zurück auf das Hindemith-Gedenkjahr 2013: Die am 28. Dezember 2013 anlässlich der Gedenkstunde im Frankfurter Römer gehaltene Rede von Professor Dr. Andreas Eckhardt, dem Präsidenten der Fondation Hindemith, und der Vortrag von Dr. Dieter Rexroth, dem ehemaligen Leiter des Hindemith Instituts Frankfurt, eröffnen den Band.
Im Rahmen seiner Studien zur Gesualdo-Rezeption widmet Roland Abels ein ausführliches Kapitel den »Begegnungen« Paul Hindemiths mit diesem exzentrischen Komponisten (1566-1613), dessen ungewöhnliche Klangkunst mit ihren chromatischen Fortschreitungen und ungewöhnlichen Klangfolgen, das Interesse bedeutender Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Igor Strawinsky oder auch Paul Hindemith weckte.
Der Germanist und Novalis-Kenner Josef Schreier nimmt sich der 1933 entstandenen und bisher noch nicht publizierten Novalis-Lieder Hindemiths an. Die Vorstellungen des Komponisten von zu vertonenden Texten aufgreifend und dessen Nähe zu hermeneutischen Ansätzen Novalis’ erläuternd, untersucht Schreier, wie sich die prekäre Situation Hindemiths nach der sogenannten »Machtergreifung« in einzelnen dieser vier Lieder niederschlägt.
Die israelische Musikwissenschaftlerin Irit Youngerman präsentiert den Briefwechsel zwischen Paul Hindemith und dem jüdischen Musiker und Komponisten Heinrich Jacoby, der in Hindemiths Jahren als Professor an der Berliner Musikhochschule (1927-1937) dessen Schüler war und noch nach seiner Studienzeit auf Hindemiths Urteil über seine Kompositionen Wert legte. Darüber hinaus dokumentieren diese Briefe die Schwierigkeiten und Sorgen, denen ein nach Palästina emigrierter deutscher Jude begegnete: Verlust der Heimat und Sehnsucht nach dem Kulturleben europäischer Prägung.
Ronald de Vet, Redakteur der Niederländischen Willem-Mengelberg-Gesellschaft, macht in seinem Beitrag auf ein bisher unbekanntes Interview aufmerksam, das Hindemith im Rahmen seines Amsterdamer Gastspiels mit dem Concertgebouw-Orchester im November 1928 der Tageszeitung De Telegraaf gab. Die Antworten, die Hindemith dem erstaunten Interviewer gab, dokumentieren seinen Humor und seine unprätentiöse Haltung.
Heinz-Jürgen Winkler