„Neues vom Tage“ in Lüneburg
Das Berlin der „goldenen“ 1920er Jahre – modern, lebendig und aufregend schnell: Das ist die Kulisse für die Oper „Neues vom Tage“. Hindemith, der seit 1927 in Berlin lebte, war fasziniert von dieser pulsierenden Großstadt: Er erlebte die aufsehenerregenden Vorstellungen von zeitgenössischen Bühnenwerken und modern inszenierten Klassikern, er sah sich Filme mit Charlie Chaplin, Buster Keaton oder Harold Lloyd an, besuchte Operetten und verbrachte Abende im Kabarett oder im Variété. So kam er auch mit Marcellus Schiffer zusammen, einem der erfolgreichsten und geistvollsten Kabarettautoren der Zeit, dessen Revuen den typisch berlinischen Geist dieser Epoche atmen. Mit ihm zusammen konzipierte er 1928/29 seine erste komische Oper „Neues vom Tage“. Sie gilt als herausragendes Beispiel für eine „Zeitoper“: Bühnenhandlungen in der Gegenwart, Alltagsgeschichten mit Szenen im häuslichen Wohnzimmer, auf dem Standesamt oder im Hotel sowie moderne Requisiten wie Schreibmaschinen, Telefone, Aufzüge, Eisenbahnen oder gar Flugzeuge gehören zu den Charakteristika dieses Genres, das Ende der 1920er Jahre das Interesse von Komponisten wie Kurt Weill, Ernst Krenek oder auch Arnold Schönberg erregte.
In Hindemiths und Schiffers Oper geht es um Laura und Eduard, die ihrer Ehe überdrüssig sind und sich scheiden lassen wollen. Doch dazu brauchen sie einen Scheidungsgrund. Von Herrn und Frau M. (gerade glücklich geschieden) erfahren sie, dass das „Büro für Familienangelegenheiten GmbH“ in der Person des schönen Herrn Hermann einen Scheidungsgrund vermitteln kann. Mit diesem wird verabredet, dass Eduard seine Frau bei einer fingierten Liebesszene in einem Museum „auf frischer Tat“ ertappen soll. Doch Eduard wird beim Anblick der Szene tatsächlich eifersüchtig, zerstört wutentbrannt eine kostbare Statue und kommt wegen Vandalismus ins Gefängnis. Laura zieht unterdessen in ein Hotel. In der Badewanne sitzend wird sie vom schönen Herrn Hermann bedrängt. Frau M., ihrerseits verliebt in Hermann, fühlt sich betrogen und ruft das Hotelpersonal zusammen, um einen Skandal zu provozieren. Die Presse greift die Ereignisse gierig auf und schlachtet sie aus. Aus dem Gefängnis entlassen, stellt Eduard fest, dass er kein Geld zur Bezahlung des Schadens hat, den er im Museum angerichtet hat. Die Lösung aus der Misere sind Auftritte von Laura und Eduard in Theatern und Variétés, bei denen sie ihre Skandalgeschichte nachspielen. Nach einer finanziell erfolgreichen Saison begleichen sie ihre Schulden und wollen sich ins Private zurückziehen: Doch die durch die Presse repräsentierte öffentliche Meinung zwingt sie dazu, ihre Geschichte immer weiter als „das Neueste vom Tage“ auf die Bühne zu bringen.
Hindemith komponierte zu dieser Gesellschaftssatire eine facettenreiche und farbige, dabei stets parodistisch intendierte Musik, in der sich Anklänge an zeitgenössische Unterhaltungsmusik, Schlager und Tanzmusik mit Anspielungen auf Puccini oder Richard Strauss mischen. Die – so der Untertitel – „lustige Oper“ „Neues vom Tage“ erweist sich damit auch als eine Parodie auf die große Oper des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Susanne Schaal-Gotthardt
Termine und weitere Informationen:
http://www.theater-lueneburg.de/index.asp?cid=177&tree_id=41