Paul Hindemith: String Quartets
CD 1: String Quartet No. 2 in F minor, Op. 10 (1918) / String Quartet No. 3 in C major, Op. 16 (1920)
CD 2: String Quartet No. 5, Op. 32 (1923) / String Quartet No. 6 in E flat (1943) / String Quartet No. 7 in E flat (1945)
CD 3: String Quartet No. 1, Op. 2 (1914-15) / String Quartet No. 4, Op. 22 (1921)
Amar Quartet: Anna Brunner, Violin I (Quartets No. 2-7), Violin II (Quartet No. 1) / Igor Keller, Violin I (Quartet No. 1), Violin II (Quartets No. 2-7) / Hannes Bärtschi, Viola / Péter Somodari, Cello
►NAXOS 8.572164-5 (2012 / 2015)
Was lange währt, wird endlich gut! Die bereits 2009/10 eingespielten Streichquartette Hindemiths – am Cellopult saß noch Péter Somodari, seit 2012 Solocellist der Wiener Philharmoniker – liegen nun vollständig in der Interpretation des Amar Quartetts vor. Das seit 1987 bestehende, in Zürich beheimatete Ensemble hat sich im Jahr 1995 nach dem 1922 gegründeten Amar-Quartett benannt. Dieses hatte sich – aus der Not geboren – 1921 bei den ersten Donaueschinger Kammermusikaufführungen zusammengefunden, um Hindemiths Streichquartett op. 16 aus der Taufe zu heben. Der sensationelle Erfolg dieser Darbietung bewog die Musiker, als Quartett weiter zu konzertieren. Ein Glücksfall für die zeitgenössische Quartettkunst, widmeten sich die Musiker verstärkt der Pflege moderner Kammermusik-Produktionen, wie z.B. Bartóks op. 7 und 17 oder Schönbergs op. 7 und 10. Benannt wurde das Ensemble nach dem Primarius Licco Amar; zweiter Geiger war Walter Caspar, Paul Hindemith spielte Bratsche und sein Bruder Rudolf oder Maurits Frank übernahmen den Cellopart.
Den Musikern des „neuen“ Amar Quartetts war es deshalb ein „verpflichtendes Erbe“, die Quartette Hindemiths vollständig einzuspielen. Die gleichen Qualitätsmerkmale, die von begeisterten Zeitgenossen beim „alten“ Amar-Quartett ausgemacht wurden, lassen sich auch beim „jungen“ Amar Quartett konstatieren: jugendlicher Schwung, brillantes technisches Können und ausbalanciertes Zusammenspiel.
Die vier Musiker verstehen es vorzüglich, den in den 1920er Jahren entwickelten eigenen Quartettstil Hindemiths mit intensiver Klanggebung zu präsentieren. Die kompositorische Entwicklung dieser Werke ist vor dem Hintergrund von Hindemiths Vertrautheit mit der Spieltechnik der Instrumente und seiner profunden Kenntnis des Quartett-Repertoires zu bewerten. Insbesondere von der den Quartetten eigenen Spielfreude, vom Spaß am musikantischen „Drauflosmusizieren“ oder der oft draufgängerisch daherkommenden Motorik haben sich die Musiker des Amar Quartetts anstecken lassen. Im Kontrast zu diesen „extrovertierten“ Momenten steht die „ausdruckslose Melancholie“ einiger langsamer Sätze (beispielsweise op. 22 und 32), deren Tiefe die Musiker mit großer Sensibilität ausloten. Eindrucksvoll, wie die Interpreten kontrapunktisch verwobene Passagen auflösen und transparent vermitteln. Überzeugend auch, wie das Ensemble das 1943 entstandene Quartett in Es interpretiert, indem es die kompositorischen Traditionsstränge aufzeigt und somit das Opus als Quintessenz Hindemithscher Quartettkunst offenbart.
Diese Gesamteinspielung spricht Hohn den immer noch kursierenden Vorurteilen, Hindemiths Musik sei spröde oder akademisch. Sie reiht sich nahtlos ein in die Maßstäbe setzenden Aufnahmen des Kocian Quartet (1995) und Juilliard Quartet (1996-1998).
HJW