„Ich liebe Hindemith und seine Musik!“
Tabea Zimmermann ist seit 2013 Mitglied im Stiftungsrat der Fondation Hindemith. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit in diesem Gremium, über ihre Liebe zu Hindemith und über ihre weiteren diesbezüglichen Pläne gesprochen.
Frau Zimmermann, Sie gehören seit Anfang 2013 dem Stiftungsrat der Fondation Hindemith an. Was hat Sie dazu bewogen, Mitglied in diesem Gremium zu werden?
Zuallererst: Ich liebe Hindemith und seine Musik! Ich bin froh darüber, dass ich die Fondation Hindemith darin unterstützen kann, das Werk des Komponisten bekannter zu machen, indem ich es selbst spiele und meinen Studierenden nahebringe. In meiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Komponisten habe ich außerdem das Hindemith Institut Frankfurt als eine ganz besonders wichtige und kompetente Institution kennengelernt. Als Mitglied im Stiftungsrat erhalte ich tieferen Einblick in die Arbeit des Instituts und lerne nicht zuletzt auch den Komponisten selbst noch besser kennen. Es besitzt für mich deshalb einen großen Reiz, die Arbeit der Stiftung zu begleiten und mitzugestalten.
Sie engagieren sich ja nicht nur in der Fondation Hindemith, sondern sind auch Vorstandsvorsitzende des Vereins Beethoven-Haus Bonn.
Wir Musiker, die wir regelmäßig auf der Bühne stehen und dabei alle Aufmerksamkeit auf uns ziehen, entwickeln daraus oft eine starke Selbstbezogenheit. Die ist in unserem Beruf auch unabdingbar, doch darf sie nicht überhand nehmen. Ich nutze gerne die Gelegenheit, durch meine Mitgliedschaft in Gremien wie der Fondation Hindemith oder dem Verein Beethoven-Haus Bonn selbst über meinen eigenen „Bratschen-Tellerrand“ hinauszublicken. So kann ich mich mit Themen befassen, die meinen Horizont erweitern und meiner Arbeit als konzertierender Musikerin zusätzliche Impulse geben.
Was sind Ihre Leitprinzipien bei Ihrer künstlerischen Arbeit?
Für mich ist es sehr wichtig, dass bei jeder erneuten Hör- und Spielerfahrung, die ich mit einem Werk mache, auch neue Aspekte in den Blick geraten. Jeder Aufführung geht ein erneutes Suchen nach einer Interpretation voraus, wie sie mir zum aktuellen Zeitpunkt richtig erscheint. Diese stelle ich dann mir selbst und dem Publikum zur Diskussion – und stelle sie bei der nächsten Auseinandersetzung mit dem Stück auch wieder in Frage. Das möge mich davor bewahren, in Routine zu erstarren – denn die möchte ich unbedingt vermeiden, auch wenn das mehr Arbeit erforderlich macht.
Hat sich demzufolge auch Ihr Bild von Hindemith in all den Jahrzehnten, die Sie sich schon mit seiner Musik beschäftigen, verändert?
Ich habe den Eindruck, dass in Interpretationen der Vergangenheit – auch meinen eigenen – die weicheren Seiten von Hindemiths Musik zu kurz gekommen sind. Man spielt Hindemith gerne etwas ruppig und hart, beispielsweise indem man seine Punktierungen sehr ernst nimmt. Doch Hindemith stammte ja ursprünglich aus Hessen und hat mit einem eher weichen, leicht singenden Tonfall gesprochen. Vor diesem Hintergrund habe ich in letzter Zeit verstärkt versucht, in seiner Musik etwas von diesem Sprachduktus aufzuspüren und zum Klingen zu bringen.
Im kommenden Juli werden Sie im Centre de Musique Hindemith in Blonay gemeinsam mit dem Pianisten Thomas Hoppe eine Masterclass leiten. Auf dem Programm stehen nicht nur Hindemiths Bratschenwerke…
Bratschenkurse sind langweilig! – Nein, im Ernst: ich unterrichte seit mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten Bratsche und freue mich darauf, in Blonay einen einwöchigen Kammermusikkurs anbieten zu können, in dem auch Stücke einstudiert werden, die dieser unglaublich vielseitige Komponist für andere Instrumente und Ensembles geschrieben hat. Eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Stücken erweitert letzten Endes auch meinen Horizont, und dafür bin ich sehr dankbar!
Die Kammermusik bildet überhaupt einen immer gewichtigeren Schwerpunkt in Ihrer Arbeit.
Das hängt auch mit meinem Selbstverständnis als Künstlerin zusammen. Ich betrachte mich als Musikerin – Bratsche ist lediglich das Instrument, auf dem ich meine Qualitäten als Musikerin am besten ausdrücken kann. So war es nur folgerichtig, dass ich seit 2002 mit dem Arcanto Quartett musiziere und als Artist in Residence Projekte des Ensemble Resonanz Hamburg von der Bratsche aus geleitet habe.
Haben diese Erfahrungen auch Auswirkungen auf Ihre sonstige künstlerische Arbeit?
Tatsächlich wird es mir immer wichtiger, die Musik als Ganzes in den Blick zu nehmen und nicht nur auf die Bratschenstimme fokussiert zu sein. Der eigene Ton – und gerade der eines Instruments in der Mittellage – hat sich in den Gesamtklang einzufügen und ist immer in Relation zu den Mitspielern zu sehen: Sei es zum Klavier, zu den Partnern im Streichquartett oder anderen Ensembles, oder eben zum Gesamtklang eines großen Orchesterapparates – auch hier ist die Solostimme immer noch Teil eines Ganzen. Freilich ist dieses differenzierte „in die Musik Hineinhören“ mit mehr Arbeit verbunden – doch sie lohnt sich!
Susanne Schaal-Gotthardt