Erste Lebensjahre
Hindemiths frühe Kindheit ist durch den drakonischen Erziehungsstil des Vaters geprägt. Dieser erzieht seine Kinder mit äußerster Härte und versucht, ihnen durch «colossal strengen Drill von frühestem Alter an» und «haarscharfe Kontrolle» den sozialen Aufstieg zu sichern, der ihm selbst versagt geblieben war.
Paul verbringt seine glücklichsten Kindheitsjahre bei seinen Großeltern väterlicherseits in Naumburg am Queis zwischen 1899 und 1902. Der Großvater, der Bürgermeister des Ortes war, lebt in einem Haus am Marktplatz mit einem kleinen Geschäft. Nach Pauls Rückkehr in das Elternhaus kommentiert der Vater in einem Brief vom 11. Juni 1913 an Emma Ronnefeldt den zweijährigen Aufenthalt Pauls: «Ich habe einmal in meinem Leben unseren ältesten [Paul] mit 3 Jahren zu meinen Eltern gegeben bis zu 6 Jahren. Wie ich den Jungen fortgab, hatte ich ihn in punkto Gehör & Musik recht schön hoch geschafft und wie ich ihn zur Schule holte, war der Junge total verdorben. Trotzdem waren meine Eltern feine gebildete Leute, aber sie waren alt & das Enkelchen war dort so ein junger Herrgott, das hat der Bengel die erste Zeit büßen müssen, bis der Pfiff wieder drinnen war.»
Paul wird 1902 in Mühlheim am Main eingeschult. 1905 geht er als Klassenbester aus seinem Jahrgang hervor, muss aber die Schule nach dem Volksschulabschluss verlassen, da das Geld für eine weitere Ausbildung nicht reicht.
Das Verhältnis zwischen Paul und seinem Vater bleibt zeitlebens angespannt. Es heißt, dass Paul noch lange nach dem Tod des Vaters die Vorstellung ängstigte, der Vater könne unerwartet zurückkommen (H.H. Stuckenschmidt).
[Eine Transkription des Briefes befindet sich in der Mediathek.]