[«Lustige Sinfonietta» op. 4, 3. Satz:Palmström]
Erste Arbeiten
Hindemith erinnert sich um 1935: «Ich hatte wohl immer geschrieben, aber erst nachdem ich neben meiner Tätigkeit als Instrumentalist Berge von Notenpapier verbraucht hatte und nachdem einige meiner Versuche im Druck erschienen waren, begann ich etwa mit 24 Jahren, an mein Kompositionstalent zu glauben.»
Unter diesen «Bergen von Notenpapier» finden sich Werke aus nahezu allen Gattungen: Kammermusik (Andante und Scherzo für Klarinette, Horn und Klavier op. 1; 1. Streichquartett op. 2; Klavierquintett op. 7), Orchestermusik (Lustige Sinfonietta op. 4), Konzerte (Konzert für Violoncello in Begleitung des Orchesters op. 3), Klaviermusik (Walzer für Klavier zu 4 Händen op. 6), Lieder (Lieder in Aargauer Mundart op. 5; 3 Gesänge für Sopran und Orchester op. 9) und sogar eine nicht zu Ende komponierte Oper (Der Vetter auf Besuch nach W. Busch).
Mit Ausnahme der 3 Stücke für Violoncello und Klavier op. 8 ist keines dieser Werke zu Hindemiths Lebzeiten veröffentlicht worden. Werke wie die Lustige Sinfonietta op. 4 oder die 3 Gesänge für Sopran und Orchester op. 9 hat er selbst sogar niemals gehört. Einige dieser Werke, Andante und Scherzo op. 1 oder das Klavierquintett op. 7, haben sich nicht erhalten und sind verschollen.
Diese Werke, die seit 1973 allgemein bekannt wurden – Hindemiths Nachlass wurde aufgrund einer testamentarischen Verfügung erst 10 Jahre nach seinem Tod zugänglich – bilden Hindemiths Frühwerk. Sie verdeutlichen seinen kompositorischen Ausgangspunkt, der keiner bestimmten Schule oder Richtung zugeordnet werden kann; vielmehr eignet er sich Verfahren an, die sich seit Wagner und Brahms herausgebildet haben.
Hindemith hat sich keiner Richtung verschlossen. Harmonisch ist er von französischer und russischer Musik beeinflusst, formal von Brahms, in der Chromatisierung des Tonsatzes und der Verwendung kontrapunktischer Techniken von Reger, im melodischen Elan von Strauss, im Orchesterkolorit von Schreker, in der programmatischen Verbindung von Instrumentalmusik mit Gedichten vom frühen Schönberg. Dabei zeigt sich Hindemiths genuine kompositorische Begabung in der ungemein sicheren Anwendung der übernommenen Verfahren, in der Originalität der Werkideen und im Vermögen, sich musikalisch überhaupt ausdrücken zu können, auch wenn dieser Ausdruck noch nicht unverkennbar persönlich wirkt.