Laienmusik
Angeregt durch Kontakte mit Fritz Jöde, strebt Hindemith eine Zusammenarbeit der Kammermusiktage mit der Jugendmusikbewegung an. Zwischen dem Baden-Badener Musikausschuss und der von Jöde angeführten Musikantengilde wird für 1927 vereinbart, dass die «Reichsführerwoche» der Musikantengilde zeitgleich mit den Baden-Badener Kammermusiktagen im benachbarten Ort Lichtental abgehalten wird. Die Mitglieder der Musikantengilde erhalten kostenlosen Zutritt zu Proben und Konzerten in Baden-Baden. Im Gegenzug können die Teilnehmer des Musikfestes den Veranstaltungen der Musikantengilde beiwohnen. Hindemith tritt als Vermittler zwischen den beiden Veranstaltungen auf, indem er eine Abendmusik in Lichtental leitet und auch im Laienorchester mitwirkt.
Die erneute Koordination beider Veranstaltungen im Jahre 1928 kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen den Verantwortlichen der Kammermusiktage und der Musikantengilde unüberwindbare Gegensätze stehen. In einem vermutlich an Jöde gerichteten Briefentwurf formuliert Hindemith Anfang 1929: «Es ist natürlich möglich, dass der offenbare Unterschied zwischen Ihrer und unserer Meinung über das Fest seinen Grund in einer ganz verschiedenen Einstellung zur Musik hat.»
Suspekt sind Hindemith bei den musikalischen Laien vor allem ihre Tendenz zum «verschrobensten Sektenwesen» und ihr mangelnder musikalischer Sachverstand: «Eine Musik ist nicht deshalb gut, weil sie von anderen nicht gespielt wird. Ein Instrument muss nicht deshalb wieder eingeführt werden, weil es vor Hunderten von Jahren im Gebrauch war. [...] Nicht alle alte Musik ist gut. Früher hat es auch Schund gegeben. Er sollte heute ebensowenig gespielt werden wie neuzeitlicher Unfug.»
Zu einer weiteren Zusammenarbeit der Musikantengilde mit dem Baden-Badener Musikfest kommt es 1929 nicht mehr, obwohl ein ganzer Abend der viertägigen Veranstaltung der «Musik für Liebhaber» gewidmet ist.