[Das Amar-Quartett spielt aus: «Streichquartett op. 16», 1. Satz: Lebhaft und sehr energisch]
Gründung des Amar-Quartetts
Während der Vorbereitungen zu den ersten «Donaueschinger Kammermusik-Aufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst» im August 1921 ergeben sich unerwartete Probleme: Das mit der Uraufführung von Hindemiths drittem Streichquartett op. 16 beauftragte Havemann-Quartett sieht sich angesichts des hohen Schwierigkeitsgrads dieses Werkes außerstande, es einzustudieren.
Der Geiger Licco Amar erinnert sich: «Ich [...] erhielt kurz vor den Ferien ein Telegramm aus Donaueschingen von einem mir völlig unbekannten Musikdirektor Heinrich Burkard. Dieser schlug mir vor, gemeinsam mit einem anderen Geiger [Walter Caspar] an dem bevorstehenden Musikfest in Donaueschingen, dem ersten dieser Art, teilzunehmen und ein Quartett eines mir gleichfalls völlig unbekannten Komponisten namens Paul Hindemith zu spielen. Ich nahm natürlich die Einladung mit Vergnügen an. Ohne irgend etwas Näheres zu wissen, begab ich mich zunächst einmal in den Schwarzwald in die Ferien und erhielt dort Partitur und Stimmen des [...] Streichquartetts op. 16. Ich will nicht behaupten, dass ich gleich im ersten Augenblick bei der Lektüre der Partitur diese neuartige Musik vollkommen verstanden hätte, aber ich erinnere mich sehr wohl daran, dass mir etwas Besonderes aus diesen Noten entgegenschlug: eine Kraft und Vitalität, die ich allerdings mehr instinktiv als bewusst erfasste.
Groß war mein Erstaunen, als ich zu der festgesetzten Zeit nach Donaueschingen kam und dort von zwei schmächtigen, eigentlich kindlich aussehenden jungen Leuten am Bahnhof empfangen wurde. Der eine war Paul Hindemith, und der andere war sein Bruder Rudolf, der den Cellopart in diesem Quartett übernahm. Die beiden, die so schmächtig aussahen, bemächtigten sich meines Koffers – ich sehe noch heute dieses Bild – und schleppten ihn fort. [...] In acht Tagen haben wir dann dieses Quartett hübsch einstudiert, wobei sich die beiden Brüder Hindemith als ganz ungewöhnliche Quartettpartner erwiesen. Die Aufführung wurde – kurz gesagt – ein donnernder Erfolg.»
Das 1921 spontan zusammengekommene Ensemble wird beim Donaueschinger Musikfest des darauffolgenden Jahres offiziell gegründet. Es wird nach seinem ersten Geiger Licco Amar, nicht etwa nach seinem zweifellos prominentesten Mitglied Paul Hindemith, benannt. Die Besetzung des Quartetts mit Amar und Walter Caspar als Geigern und Hindemith als Bratscher bleibt bis zu Hindemiths Ausscheiden im April 1929 unverändert. Als Cellisten wirken Rudolf Hindemith und Maurits Frank mit. Hindemiths Nachfolger wird 1929 Erich Kraack. Das Quartett löst sich 1933 auf.