[aus: «Sancta Susanna», Oper in einem Akt, op. 21]
Einakter
Hindemiths intensive Auseinandersetzung mit dem Expressionismus vollzieht sich innerhalb eines Phänomens, das als «Frankfurter Expressionismus» Theatergeschichte gemacht hat. Hindemith hatte daran vor allem durch den Bildhauer und Dichter Benno Elkan und den Theaterkritiker Bernhard Diebold Anteil.
Er gründete sogar 1922 in Frankfurt die idealistisch gesonnene, den expressionistischen Kunstbegriff voraussetzende «Gemeinschaft für Musik»: «...eine rein musikalische Angelegenheit ohne Geldgeschichten. Die Zuhörer zahlen nichts, die Spieler bekommen nichts, die ganz geringen Unkosten werden gemeinsam getragen. Hier ist endlich einmal die Musik um der Musik willen da! Kein persönlicher Ehrgeiz wird berücksichtigt, keine Kritik erscheint.»
Hindemiths Einakter-Triptychon Mörder, Hoffnung der Frauen op. 12 (nach Oskar Kokoschka), Das Nusch-Nuschi op. 20 (nach Franz Blei) und Sancta Susanna op. 21 (nach August Stramm) gilt als Inbegriff seines Expressionismus. Die Thematisierung von Sexualität verbindet die Werke. In Mörder, Hoffnung der Frauen, das in einer imaginären Antike spielt, ist sie ein archetypischer Geschlechterkampf, in Das Nusch-Nuschi, das im fernen Osten angesiedelt ist, ein sinnenfrohes Vergnügen, in Sancta Susanna aus dem christlichen Abendland eine abgründige Triebhaftigkeit.
Die Darstellung von Sexualität und ihrer drastischen Bestrafung durch Brandmarkung, Kastrierung und Einmauerung provozierte einen ungeheuren Opernskandal, der Hindemith rasch in weiten Kreisen bekannt machte. In der Musik zu Das Nusch-Nuschi hat Hindemith zudem nahezu alle Musikstile der Jahrhundertwende parodiert, vor allem Reger oder Mahler; aus Werken von Wagner oder Strauss zitiert er sogar direkt. In einer zeitgenössischen Kritik ist zu lesen: «Die Aufführung [...] bedeutet eine Entweihung unserer Kunststätte. Der Inhalt ist von nicht mehr zu beschreibender Gemeinheit. Alles, was uns heilig ist, wird hier von nicht deutschem Geist in den Schlamm gezogen.» Noch 1977 zieht eine Aufführung der Sancta Susanna in Rom eine Strafanzeige gegen den Bürgermeister und den Opernintendanten nach sich.