[aus: «Die junge Magd» op. 23a, Drei Lieder nach Gedichten von Eduard Reinacher]
Verhältnis zur Literatur
Hindemiths Modernität hat sich in der Auseinandersetzung mit moderner zeitgenössischer Literatur ausgeprägt und gefestigt. Bereits 1916 bekennt er: «Die Freude meiner kärglich bemessenen freien Stunden ist unsere nicht große, aber schöne Bibliothek, an deren Vergrößerung Rudolf [Hindemiths Bruder] und ich eifrigst arbeiten.»
Und 1917 berichtet er: «Ich habe eine interessante Zeitschrift entdeckt – das Kunstblatt –, die ich mir jetzt immer kaufen werde. Ich weiß nicht, ob diese Art Kunst Dir gefallen würde; es ist die ganz ‹ultra überspannte› Richtung, deren Ziele mich äußerst interessieren, deren Wege ich aber nicht recht begreifen kann. (Vielleicht nur jetzt noch nicht. Vielleicht muss ich sie selbst einmal beschreiten.)»
Hindemith besaß die verschiedenen literarischen Almanachs der Zeit, die «Gesammelten Gedichte» von Else Lasker-Schüler, die «Dichtungen» von August Stramm sowie zahlreiche Bände der «Insel-Bücherei». Viele Texte, die er vertonte, entnahm er der zentralen Publikationsreihe expressionistischer Literatur schlechthin: «Der jüngste Tag».
Wie kein anderer Komponist hat Hindemith mit ungewöhnlich sicherem Urteilsvermögen zu jener zeitgenössischen Dichtung gefunden, die sich dann als das Paradigma des literarischen Expressionismus erwiesen hat: zu Oskar Kokoschka, August Stramm, Ernst Wilhelm Lotz, Else Lasker-Schüler oder Georg Trakl. Darüber hinaus vertonte er auch Gedichte von Christian Morgenstern, Rainer Maria Rilke oder Walt Whitman und hat auch Instrumentalwerke wie die Sonate für Violoncello und Klavier op. 11 Nr. 3 (Erstfassung) oder In einer Nacht op. 15 auf Gedichte bezogen.