Leben in Berlin
Hindemith genießt die vielfältigen Möglichkeiten, die das kulturelle Leben in der pulsierenden Metropole bietet, sucht gleichzeitig aber auch immer wieder Entspannung durch ausgedehnte Spaziergänge und Ausflüge ins Grüne.
Er wird zum begeisterten Kinogänger und liebt Filme mit Charlie Chaplin, Buster Keaton oder Harold Lloyd. Kabarett- und Revue-Vorstellungen besucht er ebenso wie die aufsehenerregenden modernen Inszenierungen an der Kroll-Oper, deren musikalische Leitung Otto Klemperer innehat. Mit zahlreichen Künstlern wie etwa Darius Milhaud, Igor Strawinsky und Franz Schreker ist er freundschaftlich verbunden. Artur Schnabel und Walter Gieseking gehören zu den Freunden, mit denen Hindemith ganze Nachmittage lang Modelleisenbahn spielt. Er macht Bekanntschaft mit Schriftstellern wie Alfred Döblin, Marcellus Schiffer, Bert Brecht, Gottfried Benn, Ernst Penzoldt oder Carl Zuckmayer, mit denen er auch die künstlerische Zusammenarbeit sucht.
Hindemith öffnet sich dem sportlichen Geist, der die Atmosphäre der späten zwanziger Jahre prägt. Mit dem allmorgendlichen Waldlauf und Gymnastik beginnt er seinen Tagesablauf. Er nimmt Box- und Schwimm-Unterricht und besucht gemeinsam mit seiner Frau Fußballspiele. In Berlin macht Hindemith auch den Führerschein, und er lernt Latein und Mathematik.
Nach langer Wohnungssuche können Paul und Gertrud Hindemith im Oktober 1928 an den Sachsenplatz (heute Brixplatz) ziehen. Die erst 1927 errichtete Siedlung im Berliner Westend zieht Prominenz an: Joachim Ringelnatz, Lilian Harvey, Anny Ondra und Max Schmeling wohnen ebenfalls hier. Um dem Berliner Großstadtleben gelegentlich entfliehen zu können, behalten Hindemiths ihr Frankfurter Domizil im Kuhhirtenturm bis zu ihrem Abschied aus Deutschland 1938 bei.