[Adolf Hitler]
Kampagne gegen Hindemith
National-völkisch gesinnte Musikkritiker und Politiker richten bereits zum Ende der 1920er Jahre immer heftigere Attacken gegen Hindemith. 1930 muss eine in Dresden geplante Aufführung des Einakters Sancta Susanna in letzter Minute abgesetzt werden, da Störungen der Veranstaltung angedroht werden.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 wird Hindemiths Position in Deutschland zunehmend schwerer durchschaubar. Von reaktionären Kreisen um Alfred Rosenberg wird er als «Bannerträger des Verfalls» bezeichnet, weil sie seine Musik für «kulturbolschewistisch» halten, weil er weiterhin mit seinen als Juden gebrandmarkten Kollegen Simon Goldberg und Emanuel Feuermann Trio spielt, und weil seine Frau Gertrud als Halbjüdin gilt. Dagegen versuchen andere Kulturpolitiker des Dritten Reiches zunächst, Hindemith als einen der «Fahnenträger der Zukunft» im Bereich der Musik für sich zu vereinnahmen.
Hindemith zeigt sich anfangs, wie viele andere auch, von den Ereignissen weitgehend unbeeindruckt: «Nach allem, was hier vorgeht, glaube ich, dass wir keinerlei Grund haben, mit Sorgen in die musikalische Zukunft zu sehen. Nur die nächsten Wochen muss man vorübergehen lassen», schreibt er im April 1933 an seine Verleger. Er ist der Ansicht, dass «Mut und Standhaftigkeit» beim Vertreten der eigenen Meinung die politische Integrität gewährleisten können.
Tatsächlich scheinen sich die Bedingungen bald zu seinen Gunsten zu verändern. Im Februar 1934 wird er in den Führerrat der Reichsmusikkammer gewählt. Doch die erfolgreiche Uraufführung der Sinfonie Mathis der Maler durch Wilhelm Furtwängler und die Berliner Philharmoniker entfacht im März 1934 einen heftigen Meinungsstreit, der nicht nur die Fachpresse, sondern auch die Tageszeitungen beherrscht. Die Kampagne gipfelt schließlich in einem Eklat, als Furtwängler am 25. November 1934 in seinem Zeitungsartikel «Der Fall Hindemith» den Komponisten öffentlich in Schutz zu nehmen versucht.
Der Vorgang erregt internationales Aufsehen, und Joseph Goebbels sieht sich nun veranlasst, eindeutig Stellung zu beziehen. In einer Rede vor der Reichskulturkammer am 6. Dezember 1934 diffamiert er Hindemith als «atonalen Geräuschemacher» und stellt fest: «Denn der Nationalsozialismus ist nicht nur das politische und soziale, sondern auch das kulturelle Gewissen der Nation. [...] Das musste gesagt werden, um in dem Widerstreit der Meinungen Klarheit zu schaffen.» Hindemith zieht rasch Konsequenzen aus den Querelen um seine Person: Bereits am Tag vor Goebbels' Rede ersucht er den Direktor der Berliner Musikhochschule, ihn «wegen der Ereignisse in den letzten Tagen auf unbestimmte Zeit zu beurlauben».