Resignation
Auch nach Goebbels' eindeutiger Stellungnahme in seiner Rede vor der Reichskulturkammer findet die nationalsozialistische Kulturpolitik zunächst zu keiner einheitlichen Linie im Umgang mit Hindemith. Lange bleibt unklar, ob seine Werke offiziell verboten sind. Die kursierenden Gerüchte sorgen jedoch dafür, dass kaum ein Veranstalter es noch wagt, ein Werk Hindemiths auf das Programm zu setzen. Hindemiths eigene Konzerttätigkeit reduziert sich drastisch: In Deutschland erhält er keine Einladungen mehr, und für Konzerte im Ausland muss er die Bewilligung der Reichsmusikkammer einholen.
Hindemiths Verleger bemühen sich vergeblich um seine Rehabilitation und scheitern auch mit dem Versuch, die Uraufführung der Oper Mathis der Maler an einer deutschen Bühne durchzusetzen. Hindemith betrachtet diese Anstrengungen mit zunehmender Skepsis und Resignation. Als im Oktober 1936, nach dem demonstrativen Erfolg einer Aufführung der Sonate in E für Geige und Klavier, ein generelles Aufführungsverbot seiner Werke erfolgt, schreibt er: «Entweder es geschieht irgendwas Gegenteiliges in absehbarer Zeit, was ich kaum annehme, ja (wenn ich ehrlich sein soll) nicht einmal wünsche, oder die Spannung, die jetzt schon herrscht, steigt immer mehr [...]. Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass ich durch Kriechen in einem anderen Loch – und wenn es ein Luftloch sein sollte – eher zum Ziele zu kommen wünsche. Etwas Stolz dürfte sich gerade jetzt besser rentieren als Eile.»
Hindemiths fühlen sich in Berlin zunehmend unwohl und nutzen jede Gelegenheit, der aufgeladenen Atmosphäre in der Hauptstadt entfliehen zu können. In den Sommerferien unternehmen sie gemeinsam mit ihrem Freund Willy Strecker ausgedehnte Wandertouren durch die Eifel, den Schwarzwald und Schlesien. Zum Komponieren und Schreiben zieht sich Hindemith in einsame Berghütten, in den Schwarzwald oder wenigstens nach Frankfurt zurück.
Im Frühjahr 1937 fällt schließlich eine erste Entscheidung über seine berufliche Zukunft in Deutschland. «Paul ist irgendwie mit der ganzen Sache fertig», berichtet seine Frau Willy Strecker, «Du weißt ja, dass P. nicht voreilig in blinder Leidenschaft agiert, sondern dass in ihm alle Entschlüsse langsam aber sicher zur Reife kommen.»
Am 22. März 1937 schickt Hindemith der Berliner Musikhochschule sein Kündigungsschreiben. Als bei der Düsseldorfer Ausstellung «Entartete Musik» im Mai 1938 Hindemiths Musik an den Pranger gestellt wird, steht der Entschluss zur Emigration längst fest. Hindemiths verlassen Berlin im August 1938.