[aus: «Mathis der Maler» Oper in sieben Bildern, 6. Bild]
Entstehung von «Mathis der Maler»
Im August 1933 liest Hindemith eine Frühfassung seines Librettos zu Mathis der Maler im Schott-Verlag vor. Darüber berichtet Ludwig Strecker: «Er ist so gefangen von dem Stoff, von der ihm vertrauten Atmosphäre und der Größe des Vorwurfs, der Parallele der damaligen Zeit mit der unsrigen, und vor allem mit dem einsamen Künstlerschicksal, dass er mit einer Begeisterung und persönlichen Teilnahme schaffen wird wie noch nie.»
Die Ausarbeitung des Librettos gestaltet sich für Hindemith außerordentlich mühevoll, weil er mit dem historischen Stoff das Zeitgemäße, ja Autobiographische zu bewältigen hat. Als «historische Oper» ist Mathis der Maler zugleich auch eine «Zeit-Oper». Einerseits betreibt Hindemith intensive historische Studien und schult seine Diktion an Hölderlin, andererseits stellt er sich den Problemen des Umgangs mit und des Missbrauchs von Macht und der Autonomie der Kunst und des Künstlers.
Mathis ist in der Darstellung Hindemiths ein Künstler, der aus sozialer Verantwortung seine Malerei aufgibt, sich auf die Seite der Geknechteten schlägt, von ihnen jedoch bitter enttäuscht wird. Er erkennt, sein Bestes verraten zu haben: seine Kunst. Sie wird ihm als «Auftrag» zu malen wiedergeschenkt, ohne dass er die Erfahrungen des Elends, der ohnmächtigen Mitschuld vergessen kann. Sie wachsen seiner Kunst als moralische Stärke und Kraft zu. Mathis erkennt: Der Künstler, der seine Fähigkeiten verrät, bleibt sozial nutz-, ja verantwortungslos, mag er noch so sehr sein Gewissen durch Aktionismus beruhigen. Zu dieser Haltung findet offensichtlich Hindemith selbst; sie befähigt ihn, dem wachsenden politischen Druck standzuhalten.
Während der Arbeit am Libretto erreicht ihn Mitte 1933 die Bitte Furtwänglers nach einem neuen Orchesterwerk, mit dem er sich demonstrativ für Hindemith einsetzen will. Hindemith komponiert die Symphonie «Mathis der Maler», welche die noch zu schreibende Musik der Oper symphonisch antizipiert. Die Uraufführung der Symphonie am 12. März 1934 gerät zu einem überwältigenden Erfolg, der jedoch die politischen Gegner anstachelt. So findet die Uraufführung der 1935 vollendeten Oper nicht mehr in Deutschland, sondern am 28. Mai 1938 in Zürich statt.