[«Der Schwanendreher», Konzert nach alten Volksliedern für Bratsche und kleines Orchester, 3. Satz]
[aus: «Nobilissima Visione», Orchestersuite nach der Musik der Tanzlegende, 1. Satz: Einleitung und Rondo]
Orchesterwerke
Hindemiths kammermusikalisches Schaffen der 1930er Jahre, das neben dem Sonatenwerk auch eine Anzahl von Klavierliedern umfasst, wird durch einige großangelegte Orchesterwerke bereichert, deren Entstehung ganz unterschiedlich motiviert ist.
Das Bratschenkonzert Der Schwanendreher komponiert Hindemith 1935 für seine eigene Konzertpraxis. Er reflektiert in diesem Werk, das auf alte deutsche Volksweisen zurückgreift, in eindringlicher Weise seine bedrängte Situation im Nazi-Deutschland. Die verwendeten Lieder haben Ausgestoßensein, Schmerz und Trennung zum Thema. Besonders deutlich wird Hindemiths Stellungnahme im zweiten Satz: Hier spielt «sein Instrument», die Bratsche, die Melodie von zwei Volksliedzeilen, die den Text tragen: «Nicht länger ich's ertrag», bzw. «hab' gar ein' traurig' Tag». Hindemith, der das Werk gemeinsam mit Willem Mengelberg im November 1935 in Amsterdam uraufführt, wird es selbst nie in Deutschland spielen.
Aus Anlass des Todes des englischen Königs im Januar 1936 wird Hindemith, der sich genau zu diesem Zeitpunkt in London zu Konzerten aufhält, mit der Komposition einer Trauermusik beauftragt. Binnen Tagesfrist komponiert er das Werk und spielt es im Konzert anstelle des geplanten Schwanendreher.
Zwei der in den 1930er Jahren komponierten Orchesterwerke verdanken ihre Entstehung Hindemiths Zusammenarbeit mit dem Tänzer und Choreographen Léonide Massine. Im Sommer 1937 entwerfen die beiden den Plan für ein Ballett über den heiligen Franz von Assisi. Dieses Sujet reizte Hindemith, seit er in Florenz die Franziskus-Fresken von Giotto gesehen hatte. Er komponiert zunächst zwei Sätze, die schließlich aber nicht in die Ballettmusik übernommen werden, sondern zusammen mit zwei weiteren Sätzen als Symphonische Tänze ein eigenständiges Werk bilden. Im Februar 1939 entwirft Hindemith dazu nachträglich ein Ballett-Szenario mit dem Titel Der Kinderkreuzzug. Die Ballettmusik für Massine, die den Titel Nobilissima Visione trägt, besteht aus insgesamt elf Teilen. Fünf von ihnen finden Eingang in die gleichnamige Konzertsuite, die Hindemith wenig später zusammenstellt.
Mit dem 1939 entstandenen Konzert für Violine und Orchester komponiert Hindemith erstmals seit seiner Studienzeit wieder ein Konzert für eine traditionelle Orchesterbesetzung. Das virtuose Werk steht in der Nachfolge der großen Solokonzerte der Romantik. Es nimmt die repräsentativen Werke, die Hindemith in den 1940er Jahren für amerikanische Orchester schreiben wird, vorweg.