Universität Zürich
Die große Anerkennung, die Hindemith in der alten Heimat zuteil wird, ermutigt ihn, intensiver über eine Rückkehr nach Europa nachzudenken. Wieder in Deutschland zu leben und zu arbeiten, erscheint ihm allerdings nicht wünschenswert. Hierher wird er nur noch als Privatmann, als Vortragsredner oder als Gastdirigent zurückkehren.
Anfang November 1949 erreicht ihn ein Angebot der Universität Zürich, den Lehrstuhl für Musikwissenschaft zu übernehmen. Hindemith antwortet dem Dekan der Philosophischen Fakultät, Heinrich Straumann: «Von den zahlreichen Anfragen und Angeboten europäischer Schulen und Musikinstitute hat mich keine so sehr geehrt und gerührt wie die Ihrige. Hinge eine Entscheidung lediglich von persönlichen Neigungen ab, so sähen Sie mich in Kürze dort anreisen und den so herzlich angebotenen Lehrstuhl übernehmen. Zürich wäre für mich das ideale Operationszentrum, so weit meine europäischen Verbindungen in Frage kommen.» Doch scheut Hindemith als ausübender Musiker etwas davor zurück, ein Ordinariat in Musikwissenschaft zu bekleiden: «Ich möchte auf keinen Fall einen Platz einnehmen, der einem Berufeneren gehört.» Auch möchte er die engen Beziehungen, mit denen er inzwischen im amerikanischen Musikleben fußt, nicht wieder lösen. Mit der Universität in Zürich und der Yale University wird deshalb vereinbart, dass er jährlich abwechselnd an beiden Orten unterrichtet.
Zum Wintersemester 1951/1952 nimmt er seine Lehrtätigkeit als Professor für Musiktheorie, Komposition und Musikpädagogik in Zürich auf. Ein ruhiges Quartier finden Hindemiths in Glattfelden, einem kleinen Ort in der Nähe von Zürich. Die vorlesungsfreie Zeit nutzt Hindemith zu Konzerten und Vortragsreisen durch Europa. Er dirigiert in Skandinavien, Deutschland und Österreich. Viel Zeit nimmt auch die Arbeit an der Neufassung von Cardillac in Anspruch, die im Juni 1952 in Zürich uraufgeführt wird.
Offensichtlich wird Hindemith im Winter 1952/53, den er in New Haven verbringt, klar, dass er sich der kräftezehrenden Doppelbelastung, an zwei Hochschulen auf unterschiedlichen Kontinenten unterrichten zu müssen, nicht weiter aussetzen kann. Die Entscheidung, wo der künftige Lebensmittelpunkt sein soll, fällt zugunsten der Schweiz. Mit dem Ende des Semesters im Frühjahr 1953 gibt Hindemith seine Arbeit an der Yale University auf. Für eine Abschiedsparty am 2. Mai dekoriert er Küche und Esszimmer seines Hauses mit großen Wandgemälden. Am 3. Juni besteigen Hindemiths das Schiff nach Europa.