Villa La Chance in Blonay
Im Juni 1953 siedeln Paul und Gertrud Hindemith in die Schweiz über. Zum Wohnsitz wählen sie von vornherein die ihnen bereits von Bluche her bekannte Gegend am Genfer See. Sie beziehen ein Hotel in Vevey und begeben sich auf die Suche nach einem Wohnhaus. Am 1. August kaufen sie die Villa La Chance in Blonay, einem kleinen Ort oberhalb des Genfer Sees zwischen Montreux und Vevey, und lassen ihre Habe aus Berlin und New Haven nachkommen.
Über die ersten Wochen im neuen Haus schreibt Paul Hindemith: «Unser neues Haus lässt sich sehr gut an. Es ist wirklich ein Vergnügen, nach so langen Jahren alle seine Sachen wieder beieinander zu haben. Natürlich gibts noch viel Arbeit bis alles in guter Ordnung ist, aber es macht auch Spaß dahin zu kommen. Die Adresse ist einfach: Blonay – aber die ist nur für den Verlags- und Privatverkehr. Wenn an irgendwelche Außenstehenden meine Adresse vergeben werden muss, dann immer nur Vevey, poste restante. Es wimmelt hier so viel berühmtes und pseudoberühmtes Volk herum, von dem ich mich gerne etwas abgesondert hielte.»
Die Villa La Chance, in der Hindemiths bis an ihr Lebensende wohnen, dient ihnen auch als ein Rückzug in die Privatsphäre, die sie vor Fremden rigoros abschirmen. Entsprechend persönlich richten sie ihr Haus ein. Hinweise auf «Löwen», das Sternzeichen Gertruds, finden sich überall: auf Bildern, aufgestellten Gasthofschildern, Bänken oder Leuchtern. Mit Löwenzeichnungen verziert Hindemith ein verstecktes Gartenhäuschen, in dem er im Sommer auch komponiert, und Hauswände.
Die umfangreiche Bibliothek, die sie nun erstmals aufstellen können, dokumentiert ihre außerordentlich weitgestreuten literarischen Interessen. Die Handbibliothek in Hindemiths Arbeitszimmer umfasst eine beeindruckende Sammlung musiktheoretischer Werke. Hier bewahrt er auch die Gesammelten Werke von Heinrich Daniel Zschokke auf, die in seinen letzten Jahren zu seiner Lieblingslektüre zählen. Unter den Musikalien sind die Widmungsexemplare besonders wertvoll, die Hindemith von vielen bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts erhielt. Erholung und Entspannung bietet die Arbeit im Garten oder das Zeichnen, so etwa auch das Anfertigen von Weihnachtskarten für Freunde.