Unser neues Haus lässt sich sehr gut an. Es ist wirklich ein Vergnügen, nach so langen Jahren alle seine Sachen wieder beieinander zu haben. Natürlich gibts noch viel Arbeit bis alles in guter Ordnung ist, aber es macht auch Spass dahin zu kommen. Die Adresse ist einfach: Blonay.
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Im Oktober 1953 beziehen Paul und Gertrud Hindemith die Villa La Chance im schweizerischen Blonay oberhalb des Genfer Sees.
virtueller Rundgang . . .
Humor, Sinn für Schabernack und eine gehörige Portion Selbstironie zeichnen Hindemiths Charakter aus.
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Freunden in der Schweiz schrieb er im Dezember 1913:
«Als größte Errungenschaft der letzten Monate wäre die Gründung unseres Conservatoriums-Clubs ‹Urian› zu nennen. Wir sind 6 Mitglieder (einer immer verrückter als der andere) und bezwecken hauptsächlich, uns zu amüsieren. [...] Wir machen auch Musik, jedoch solche, welche nur extra präparierte Ohren ertragen können. Am besten solche, die mit Watte zugestopft sind. Wir haben ein Drama mit Musik verbrochen, welches wir nach Neujahr aufführen werden. Auch Sie sind herzlich dazu eingeladen. Bringen Sie aber bitte gleich Aspirin mit.»
Der erwähnte Freundeskreis inspirierte Hindemith in den Jahren 1913-1920 zur Niederschrift von insgesamt sieben sogenannten «Dramatischen Meisterwerken» – skurrilen, bisweilen surrealistischen Stücken, deren Sujets größtenteils einen autobiographischen Hintergrund besitzen.
Zur Aufführung mit Musikerfreunden waren auch zahlreiche Gelegenheitswerke aus dem Genre der Unterhaltungsmusik sowie parodistische Stücke bestimmt, von denen heute nur noch Titel und Besetzung überliefert sind.
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Verschollen sind etwa der «Festmarsch: Das Grab ist meine Freude», die «Musik für 6 Instrumente und einen Umwender» für Flöte, Klavier, 2 Violinen, Violoncello und Kontrabaß, oder der «Gouda-Emmental-Marsch» für Piccoloflöte, Klavier und Streichquintett.
Die noch erhaltenen Kompositionen «Minimax. Repertorium für Militärorchester» (1923), die «Ouvertüre zum Fliegenden Holländer, wie sie eine schlechte Kurkapelle morgens um 7 am Brunnen vom Blatt spielt» (1925), beide für Streichquartett, oder das «Lied mit großer Orchesterbegleitung im Stile Rich. Strauss' (Text aus einer Imkerzeitung)» für Sopran und Streichquartett (1925) geben einen Eindruck von Hindemiths musikalischem Humor.
Zu Hindemiths großen Leidenschaften gehörte das Spiel mit der Modelleisenbahn, zu dem er in den 1930er Jahren Freunde und Bekannte – darunter Persönlichkeiten wie den Pianisten Artur Schnabel oder den Dichter Gottfried Benn – in seine Berliner Wohnung einlud.
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Die aus der Schweiz stammende Cembalistin Silvia Kind, die in Berlin bei Hindemith studierte, erinnert sich:
«Er besaß damals 300 Meter Schienen, die raffiniertesten elektrischen Bahnen mit Fernweichen und Signalen. Sonntags konnte er sich hinsetzen und einen minutiösen Fahrplan ausarbeiten, der jedem Stationsvorstand Ehre gemacht hätte. Die Stunden im Normalbetrieb galten Minuten, die Minuten Sekunden. Wenn die Mitwirkenden bei einander waren, wurde einen halben Tag durch drei Zimmer hindurch aufgebaut. Nachmittags ging es los; jeder bekam einen Fahrplan und eine Stoppuhr und mußte einen Zug bedienen, der genau die angegebenen Halte- und Ausweichstellen einhalten und zur richtigen Sekunde ankommen mußte. Frau Hindemith erzählte, daß oft morgens um 2 oder 3 Uhr die Männer (besonders wenn Artur Schnabel - auch ein großer Eisenbahnverrückter - dabei war) erschöpft und bleich bei ihr um einen Schnaps baten.»
Mit seiner Begeisterung für unterschiedliche Arten der sportlichen Betätigung entsprach das Ehepaar Hindemith den damaligen Trends der Freizeitgestaltung. In die Sommerferien des Jahres 1931 reiste ein eigens engagierter Sportlehrer mit nach Bad Tölz, der sie bei Ballspielen, Kugelstoßen oder Gymnastik betreute, und in den 1930er Jahren durchwanderten Hindemiths gemeinsam mit dem Verleger Willy Strecker auf mehrwöchigen Fußtouren den Schwarzwald, Schlesien oder die Eifel. In ihren späteren Domizilen in der Schweiz und in New Haven brachten sie ihre Naturverbundenheit unter anderem durch die liebevolle Pflege der Gärten zum Ausdruck.
Hindemith besaß ein feines Gespür für die Qualität von Kunst und Literatur. Der literarische Expressionismus - Gedichte von Else Lasker-Schüler oder Georg Trakl - faszinierte ihn ebenso wie die Lyrik von Christian Morgenstern oder Rainer Maria Rilke. Besonderes Augenmerk legte er auf die Auswahl von Textvorlagen für seine Kompositionen.
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Gegenüber dem Dichter Eduard Reinacher verdeutlichte er 1930 seine Vorstellungen von der Beschaffenheit zu vertonender Texte:
«Wenn ich aus einem Text ein Lied machen soll, so muß er lockere Stellen haben, die vom Dichter gewissermaßen ausgespart sind, freigelassen für den Komponisten, derart, daß die Musik hier gebraucht wird.»
Hindemiths Briefe an seine Frau vermitteln einen Eindruck in seine Erzählkunst, die plastisch «das Große und Allgemeine mit der Anschaulichkeit des Details» verbindet (Walter Jens).
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Den Besuch der Sternwarte auf dem kalifornischen Mount Wilson schildert er mit folgenden Worten:
«In einem der Kuppelbauten, den wir betraten, ertönte Musik: Ein Photograph, der hinter dem zweitgrößten Teleskop saß und stundenlange Aufnahmen irgendeines Sternes machte, spielte sich zum Zeitvertreib in Dunkelheit und Kälte per Radio oder Grammophon die Mozart-Es dur Symphonie. Das war recht seltsam zu hören, in dieser Sternenumgebung, denn man stellt sich doch auch unter der Arbeit mit diesen Objekten so etwas wie eisiges Schweigen in der unendlichen Weite vor.
Und doch war es nach der ersten Überraschung so, daß diese Musik wirklich sich mit dieser Unendlichkeit zu einem Organismus von Maß und Klang verband, in dem kein Fehler und keine Trübung störte. Ich glaube kaum, daß außer Bach und Mozart eine Musik solche Konfrontierung ausgehalten hätte!»