Einberufung 1917
Hindemiths anfängliche Kriegsbegeisterung ebbt rasch ab, als die ersten Nachrichten über das Grauen der Kämpfe eintreffen und Freunde und Verwandte, allen voran der Vater, im Felde bleiben. Freunden gegenüber äußert er im September 1915: «Mich hat man noch nicht in die Reihe der Vaterlandsverteidiger aufgenommen, worüber ich auch nicht böse bin. Zweimal hatte ich schon Musterung, wurde aber zurückgestellt wegen allg. Körperschwäche und Herzfehler!! Nächstens sind wahrscheinlich wieder Musterungen und da habe ich keine Hoffnung, noch einmal zurückzukommen.»
Im August 1917 wird er eingezogen und am Gewehr ausgebildet. Wie eigenartig er sich als Soldat vorgekommen sein muss, geht aus dem Brief an eine befreundete Frankfurter Familie vom Mai 1918 hervor: «Überhaupt kann ich mir die wenigsten Musiker als Soldaten vorstellen. Bach als Kammerfeldwebel, (einem Musko ein Paar zu große Stiefel überreichend), das ginge noch an, aber -: Beethoven, Gewehrgriffe übend, Mozart, Handgranaten werfend oder vor einer Kaserne Posten stehend; Schubert als Fliegerleutnant und Mendelssohn als Unteroffizier bei einer Fuhrparkkolonne. Das ist doch undenkbar.»
Hindemith ist zunächst in Frankfurt stationiert und wird für seine Orchesterdienste freigestellt. Kurz vor dem Abmarsch an die Front nach Frankreich schreibt er an die Theaterdirektion: «Da mein Vater vor 2 Jahren in Frankreich gefallen ist, habe ich natürlich die Verpflichtung, für meine Mutter zu sorgen. Wenn ich nun ins Feld geschickt werde, steht meine Mutter gänzlich ohne Einkünfte da. Aus diesem Grunde richte ich an Sie, geehrter Herr Direktor, die höfliche Bitte, dahin zu wirken, dass mir gestattet wird (ebenso wie den im Felde stehenden verheirateten Orchestermitgliedern) monatlich 70% der Gage für meine Mutter empfangen zu dürfen.» Das Gesuch wird genehmigt.