[aus «Neues vom Tage» Lustige Oper in drei Akten, Arioso: «Nicht genug zu loben»]
Neues vom Tage
Hindemith fasst in seiner lustigen Oper Neues vom Tage, seinem Beitrag zum Genre der «Zeitoper», das Lebensgefühl der späten 1920er Jahre ebenso zusammen, wie er es parodiert und in kritische Distanz rückt.
Er erinnert sich an die Entstehung des Werkes: «...da ich (wie alle Komponisten von Theatermusik) ständig auf der Suche nach Stoffen für eine Komische Oper war, gelang es mir, Marcellus Schiffer, einen der erfolgreichsten und geistvollsten Autoren solcher Stücke» (Hindemith meint die für Berlin typischen Revuen zwischen Kabarett und großer ‹Show›) «zur Zusammenarbeit zu gewinnen. Trotz seinem Abscheu vor opernmäßigem Gesang und trotz seiner melancholischen Veranlagung (er nahm sich bald darauf das Leben) brachten wir nach einem kleineren Versuch (‹Hin und Zurück›) die Oper ‹Neues vom Tage› zustande, in welcher die Revuetechnik den Forderungen der Opernbühne angepasst wurde.»
Ebenso wie Hindemith die einstudierten falschen «großen Gefühle» in Neues vom Tage mit spätromantischer Opernmusik parodiert, karikiert er die Banalität des modernen Alltags mit kunstvoll stilisierter Unterhaltungsmusik. Er erfindet prägnante musikalische Tonfälle für den hohlen Alltag der großstädtischen Angestellten: für die absurde Bürokratie des Standesamtes, für das Schreibmaschinenklappern in Großraumbüros, für die geschleckte Glattheit des «leitenden Angestellten», für die Agilität der Manager, für die Sensationsgier der Presse, für die voyeuristische Neugier der anonymen Masse.
In einer Varietémusik bietet Hindemith das Substrat von Schlagermusik, ohne einen Schlager zu komponieren oder trifft das wohlige Behagen der Protagonistin Laura, die nackt in der Badewanne die Vorzüge der Warmwasserversorgung preist; eine Szene, welche die Oper berühmt und berüchtigt macht und welche die Nationalsozialisten, allen voran Adolf Hitler, Hindemith als «obszönste» und «kitschig-gemeinste Szene» nie vergessen werden. Hindemiths Gesellschaftsportrait wirkt umso überzeugender, als er, bei allem Witz, nicht grob verzerrt oder denunziert, sondern eher nüchtern hörbar macht und zu Bewusstsein bringt.