[aus: «Der Lindberghflug», Hörspiel von Bertold Brecht, Musik von Paul Hindemith und Kurt Weill]
Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht
Die musikalische Neuorientierung, zu der Hindemith um 1930 findet, vollzieht sich auch vor dem Hintergrund einer politischen Radikalisierung des Musiklebens, die ihn in seiner Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht selber betrifft. Die Zusammenarbeit von Hindemith und Brecht ist 1929 noch eher ästhetisch motiviert. Die Konzeption des Lehrstücks und des Lindberghflugs, an dessen Komposition sich auch Kurt Weill beteiligt, entwickelt Brecht aus der Überlegung «musik machen ist besser als musik hören». Brecht sucht nach Formen einer «kollektiven Kunstübung», die Hindemith in jener Zeit gerade in seiner Gebrauchsmusik zum Selbstspielen entwickelt hat. «Musik machen» als ein Handeln trägt, nach der Meinung Brechts von 1929, einen «Nutzen in sich selbst» und «muss nicht auf nützliche Ziele gerichtet» sein.
Doch 1930, nach seiner definitiven Wendung zum Kommunismus, lässt Brecht nur noch parteipolitischen «Nutzen» gelten. Er beurteilt nun seine Zusammenarbeit mit Hindemith als ein «Missverständnis», gibt seinem Text zum Lehrstück eine neue Fassung – in dieser Neufassung, die Hindemith nicht vertont hat, heißt das Werk ‹Badener Lehrstück vom Einverständnis› – und polemisiert gegen Hindemith.
Zum offenen Bruch zwischen Hindemith und Brecht kommt es dann während der Vorbereitung des Festes «Neue Musik Berlin 1930». Der Programmausschuss dieses Festes, dem Hindemith angehört, lehnt eine Aufführung des parteipolitisch motivierten Lehrstücks ‹Die Maßnahme› von Eisler und Brecht mit der Begründung ab: «Wir halten es nicht für richtig, den Aufgabenkreis unserer Veranstaltung, der an und für sich beschränkt ist, in anderer als musikalischer Hinsicht zu erweitern.» Nun werfen Brecht und Eisler dem Programmausschuss politische Zensur vor. Hindemith ist vom Verhalten Brechts so sehr enttäuscht, dass er die Zusammenarbeit mit einem Dichter sucht, der als der Antipode Brechts gilt: mit Gottfried Benn.