[«Der Schwanendreher», 3. Satz: Variationen «Seid ihr nicht der Schwanendreher»]
Umzug nach Bluche 1938
Bis zum Sommer 1938 zögern Hindemiths, bevor sie den schon lange in Betracht gezogenen Rückzug aus Deutschland schließlich in die Tat umsetzen. Die Wohnung am Berliner Sachsenplatz wird Anfang August aufgelöst, und mit offenkundiger Erleichterung notiert Hindemith am 16. August in seinen Kalender: «letzter Tag Berlin!»
Sein neues Domizil findet das Ehepaar Hindemith im schweizerischen Kanton Wallis. Begeistert schreibt Hindemith im Oktober 1938 an Willy Strecker: «Das Häuschen ist so, als wäre es uns auf den Leib geschneidert, und die Gegend ist das schönste, was man sich wünschen kann: Eine liebliche Matten- und Baumlandschaft, rings umgeben von den großartigsten Dingen. Hinter uns die südlichste Kette der Berner Alpen, gegenüber die Walliser Schneeriesen (Weißhorn usw.) und vor uns tief unten das Rhonetal, das man etwa 40 km weit aufwärts verfolgen kann. Dazu die Abgeschiedenheit in einem winzigen Bauerndörfchen voller Kühe mit ständigem Gebimmel, das Häuschen mit Sonnenveranda und Garten mit Obstbäumen, was will man mehr?»
So schwierig der Entschluss, Deutschland den Rücken zu kehren und ins Exil zu gehen, für Hindemith auch gewesen sein muss, so überzeugt ist er letztendlich von der Richtigkeit seiner Entscheidung: «Es gibt nur zwei Dinge, die anzustreben sind: Anständige Musik und ein sauberes Gewissen, und für beides wird gesorgt. Von diesem Standpunkte aus gesehen waren alle bisherigen Unternehmungen überflüssig [...]», schreibt er im September 1938 an Willy Strecker.
Überaus selbstkritisch kommentiert er im nachhinein seine politische Naivität im Umgang mit den Machthabern in Deutschland. Auf Berichte über die Behandlung von missliebigen Künstlern antwortet er seiner Frau am 18. Februar 1939 aus Amerika: «Mich packt noch nachträglich immer ein leichtes Grausen, wenn ich solche Berichte höre; nicht so sehr wegen der Maßnahmen einer stumpfsinnigen Regierung und auch nicht wegen der bedauernswerten Opfer – sie hätten ja allmählich merken können, dass sich keinerlei Späße anbringen lassen – sondern ich denke mir, wie schrecklich es geworden wäre, wenn man auch in diesem kastrierten Zustand von machtlosem Geschehenlassen und allzu fein versteckter Auflehnung versunken wäre.»
Und am 6. April schreibt er: «Die Künstlermaßnahme in Deutschland ist durchaus in der Linie der gesamten Unternehmungen des Reiches, die ausschließlich nur noch von Größenwahn, Sadismus und Rohstoffmangel diktiert zu sein scheinen. Ich komme mir immer vor wie die Maus, die leichtsinnig vor der Fallentüre tanzte und auch hineinging; zufällig, als sie gerade mal draußen war, klappte die Türe zu!»