[Sophie Hindemith gratuliert ihrem Sohn zum 50. Geburtstag, November 1945]
Familie und Freunde
Nach jahrelanger Ungewissheit über das Schicksal ihrer Familien und Freunde erhalten Hindemiths seit dem Sommer des Jahres 1945 die ersten Nachrichten aus Deutschland. Erst jetzt erfahren sie, dass Gertruds Mutter Theodore Rottenberg im Februar 1945 gestorben ist, dass Sophie und Toni Hindemith sich aus dem von Bomben zerstörten Frankfurt ins oberhessische Butzbach retten konnten, und dass die Verlegerfamilie Strecker keine Verluste zu beklagen hat.
Über die zahlreichen Angriffe auf Frankfurt, bei denen am 3. Oktober 1943 auch der Kuhhirtenturm in Flammen aufging, berichtet Toni Hindemith im Februar 1946: «Gegen 1/2 10 Uhr pfeift und orgelt es ganz verheerend über unserem Turm, ein Bersten und Krachen, ein Höllenlärm. Der Turm bebte in allen Fugen und Kanten, Türen, Decken, Fenster, Fensterläden u.s.w. alles fliegt aus den Angeln. In die Anlage hatte man eine Mine gesetzt. Wir warteten nur noch auf unser Ende. Eine riesige Staubwolke hüllte uns ein, und da sämtl. Türen und Fenster rausflogen, konnte sich der Staub schnell Luft schaffen, sodass wir wieder atmen konnten. [...] Als das Drama zu Ende war und wir dann mal auf die Straße gingen, sahen wir, dass neben der Nachbarschaft auch unser Turm oben brannte. Sauers Sohn versuchte mit mir noch zu löschen [...]. Mittlerweile fing die Küche dann auch zu brennen an. Von oben haben wir dann eben noch gerettet, was zu retten war. Von ganz oben war es ein Ding der Unmöglichkeit, da der ganze Turm oben ein Raub der Flammen wurde. Als dann in der Nacht die Feuerwehr kam, schwamm der ganze Turm nur so vom Löschwasser.»
In den Trümmern des Kuhhirtenturms gehen etliche von Hindemiths Manuskripten verloren.
Nach dem Ende des Krieges verschärft sich die Versorgungslage der Zivilbevölkerung weiter. Emma Lübbecke-Job schreibt Anfang November 1945: «Kohlen oder Heizung gibt es für uns nicht, bald werden wir mit Eisbärten an Flügel und Schreibtisch sitzen, denn auch elektr. Strom gibt es nur noch stundenweise an abwechselnden Tagen, das ist eine harte Plage und schwierige Frage mit der einfachsten Kocherei. Jetzt ist es ja noch schön hell bis 5 am Nachmittag. Lampen oder Kerzen gibt es auch nicht, man muss dann halt um 5 ins Bett kriechen und nachts um 12 seine Arbeit beginnen, wenn der Strom wieder einsetzt!» Paul und Gertrud Hindemith versuchen, die allergrößte Not ihrer Angehörigen durch Nahrungsmittelpakete zu lindern.