[W.A. Mozart, Klavierkonzert Nr. 20 d-moll, KV 466, Clara Haskil, Orchestre National de France, Paul Hindemith, Montreux 22.9.1957]
Konzertrepertoire
Im Zentrum der Hindemithschen Dirigate standen – neben seinen eigenen Werken – zunächst Kompositionen von Bach, Mozart, Bruckner und Reger. Doch erweiterte er planvoll das Repertoire mit Werken, die er vernachlässigt fand, etwa mit Beethovens ‹Großer Fuge› op. 133 in einer Fassung für Streichorchester, Mendelssohns ‹Hebriden›-Ouvertüre und der ‹Schottischen Symphonie›, Liszts ‹Orpheus› und vor allem mit Ouvertüren von Cherubini, die er sehr schätzte. Aus dem 20. Jahrhundert berücksichtigte er Werke von Bartók, Blacher, Berg, Dallapiccola, Genzmer, Hartmann, Heiller, Honegger, Milhaud, Oboussier, Petrassi, Piston, Prokoffiew, Schönberg, Schreker, Strawinsky, Walton und Webern. In der Regel eröffnete er seine Konzerte durch eine Ouvertüre oder eine kurze Sinfonie, ließ ein eigenes Werk folgen und schloss mit einem gewichtigen Werk aus dem 19. Jahrhundert.
Gegen Ende der 1950er Jahre verlagerte sich sein Repertoire. Hindemith führte nun häufig Werke auf, die wegen Besetzungsproblemen keine Chancen im Musikbetrieb hatten, die er jedoch durch seine Autorität durchsetzen konnte, er griff auf Chormusik zurück und mischte alte und neueste Musik. Dabei dirigierte er nicht nur, sondern spielte bei Aufführungen Alter Musik auf einem historischen Instrument mit. Hindemith wollte auf diese Weise Aufführungen Alter Musik den musealen Charakter nehmen und Neue Musik aus dem Ghetto von Spezialveranstaltungen befreien. In seinen Konzerten konnte durch alle Gattungen und Stile hindurch eine substantielle Einheit der Musik spürbar werden. Hindemith war im 20. Jahrhundert der letzte Musiker, der tendenziell das gesamte Repertoire der Musik beherrschte und aufführte.